Grundfragen zu Anthroposophischer Medizin und Pharmazie

Was ist das eigentlich – Anthroposophische Medizin?

1. Ist die Anthroposophische Medizin eine alternative Medizin?

Nein, die Anthroposophische Medizin versteht sich nicht als Alternative zur Schulmedizin. Im Sinne einer integrativen Medizin will sie die moderne naturwissenschaftliche Medizin nicht ersetzen, sondern ergänzen und erweitern.

Nein, die Anthroposophische Medizin versteht sich nicht als Alternativmedizin im Sinne einer Entweder-oder-Entscheidung zur konventionellen Medizin. Im Sinne einer Komplementärmedizin erweitert sie die Schulmedizin um ganzheitliche Aspekte. Im Sinne der Integrativen Medizin handelt es sich um eine Medizin, die andere Therapieformen anerkennt, integriert und um ein Konzept erweitert, welches den Menschen konsequent in den Mittelpunkt stellt. Dies wird auch in der Übersetzung des Wortes „Anthroposophie“ deutlich: Der Begriff umfasst die griechischen Wörter „anthropos“, der Mensch, und „sophia“, die Weisheit.

Die Grundlage der Anthroposophischen Medizin bilden die geisteswissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die von Dr. phil. Rudolf Steiner gemeinsam mit der Ärztin Dr. med. Ita Wegman Anfang des letzten Jahrhunderts erarbeitet wurden. Moderne wissenschaftliche und medizinische Erkenntnisse werden um einen geisteswissenschaftlichen Blickwinkel erweitert.

Ganz praktisch bedeutet das integrative Konzept der Anthroposophischen Medizin, dass in Diagnostik und Therapie alle Bestandteile der Schulmedizin eingesetzt werden können. Dabei geht es – neben der Behandlung der Symptome – immer und vor allem darum, die eigenen Ressourcen zu fördern, um die Selbstregulation des Menschen zu stärken. So setzt die Anthroposophische Medizin auf mehreren Ebenen an: In der Diagnose wird der Erkrankte neben körperlichen Befunden auch als seelisches und geistiges Individuum wahrgenommen. In der Behandlung werden alle Aspekte berücksichtigt, so dass es neben dem Einsatz anthroposophischer Arzneimittel viele differenzierte Therapieangebote gibt.

2. Was ist das Besondere an der Anthroposophischen Medizin?

Besonders an der Anthroposophischen Medizin ist der Ansatz, neben wissenschaftlichen Erkenntnissen die Dimensionen des lebendigen, seelischen und geistigen Wesens des Menschen zu berücksichtigen. Der Arzneimittelschatz basiert auf der Erkenntnis der evolutionären Beziehung zwischen Mensch und Natur. Daraus ergibt sich eine Vielfalt an Therapieansätzen, die über die Arzneimittel hinaus gehen, wie z. B. die Kunsttherapie oder Heileurythmie.

Das Besondere an der Anthroposophischen Medizin ist, dass sie neben naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auch die Dimensionen des lebendigen, seelischen und geistigen Wesens des Menschen berücksichtigt. Eine wichtige Grundlage ist deshalb die von Rudolf Steiner erarbeitete Menschenkunde, die von vier verschiedenen „Wesensgliedern“ (Organisationsformen, Existenzebenen) ausgeht sowie das Prinzip der „Dreigliederung“ der Funktionssysteme beinhaltet (siehe Frage 3. und 4.).

Der Arzneimittelschatz der Anthroposophischen Medizin basiert auf der Grundvoraussetzung, dass zwischen dem menschlichen Organismus und bestimmten Naturprozessen eine evolutionäre Verwandtschaft besteht und dass 

diese zu therapeutischen Zwecken gezielt genutzt werden kann. Es besteht eine Resonanzfähigkeit zwischen Natur und Mensch.  

Zentrales Element der Anthroposophischen Medizin ist außerdem der Ansatz, nicht nur den Krankheitsprozess zu beeinflussen (das will jede medizinische Richtung), sondern gleichzeitig das Gesundungspotenzial der Patient:innen zu unterstützen, so dass die Patient:innen möglichst selbstständig eine „neue“, individuelle Gesundheit entwickeln können. Es geht also nicht nur um das Verhindern von Erkrankung – sondern genauso um das Befähigen zur Gesundung. Damit verknüpfte Rudolf Steiner die Auffassung, dass eine Krankheit immer auch als Chance zur seelisch-geistigen Entwicklung verstanden werden kann – auch dann, wenn der kranke Mensch ganz auf die Hilfe anderer angewiesen oder die Krankheit unheilbar ist. 

Auch das therapeutische Spektrum der Anthroposophischen Medizin ist etwas ganz Besonderes. Dabei handelt es sich zum einen um die Anthroposophische Kunsttherapie, die eingesetzt wird, um in der Auseinandersetzung mit künstlerischen Vorgängen einen Prozess der Selbsterkenntnis auszulösen und damit eingefahrene und krankmachende Verhaltensmuster zu korrigieren. Auch die von Rudolf Steiner entwickelte Heileurythmie, eine besondere Form rhythmischer Bewegungskunst, trägt dazu bei, die Selbstheilungskräfte des Menschen zu aktivieren. Ein weiteres therapeutisches Konzept ist die Rhythmische Massage nach Dr. Ita Wegman. Sie beruht auf der Heilmassage, arbeitet aber mit einem ergänzten Spektrum an Griffen und Techniken.

3. Was bedeutet „Viergliederung“?

Die Anthroposophische Medizin geht davon aus, dass Krankheiten entstehen, wenn die Wechselbeziehungen zwischen Körper, Seele und Geist eines Menschen nicht harmonisch ineinandergreifen. Das Körper-Seele-Geist-Zusammenspiel wird über die Beziehung der vier Organisationsformen dargestellt: physisch-stoffliche, Lebens-, Empfindungs- und Ich-Organisation.

Erst das Zusammenspiel von körperlichen, seelischen und geistigen Charakteristika macht die Individualität des Menschen aus – auch im Krankheitsfall. Die Anthroposophische Medizin geht davon aus, dass Krankheiten keine zufällig auftretenden Fehlfunktionen sind. Vielmehr werden Krankheiten als Prozesse angesehen, die auf eine gestörte Balance in diesem Zusammenspiel hinweisen.

Rudolf Steiner hat ein Menschenbild entwickelt, das vier verschiedene Organisationsformen oder Existenzebenen (auch „Wesensglieder“ genannt) umfasst und als komplexe Einheit von Körper, Vitalkräften, Seele und Geist zu verstehen ist. Der für die heutige Medizin primär wichtige körperliche Anteil spielt eine relevante Rolle – korrespondiert jedoch mit drei weiteren Existenzebenen:

  • Als Physisch-stoffliche Organisation (körperliche Ebene, auch „physischer Leib“ genannt) bezeichnet man den sichtbaren „materiellen“ Körper mit z. B. Knochen, Muskeln, Organen – kurz mit allem, was man wiegen und messen oder chemisch analysieren kann. Die physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten am festen Körper treten am reinsten im Mineralreich in Erscheinung, weshalb der physische Leib Entsprechungen mit der mineralischen Welt aufweist. 

  • Auf einer zweiten Ebene gibt es die Lebens-Organisation (Ebene der Lebens- oder Vitalkräfte, auch „Ätherleib“ genannt). Dazu gehören die Kräfte, die den Körper beleben und für Wachstum und Regeneration zuständig sind. Diese Lebenskräfte sind nicht sichtbar und können auch nur indirekt wahrgenommen werden, indem sie die Physis verändern, z. B. durch das Wachsen, Werden und Vergehen einer Pflanze, eines Tiers oder eines Menschen.

  • Als drittes gibt es die Empfindungs-Organisation (seelische Ebene, auch „Astralleib“ genannt), die die Welt der Willensimpulse und der Empfindungen mit Sympathie und Antipathie, Leidenschaft, Lust und Instinkten bezeichnet. Die Empfindungs-Organisation ermöglicht Bewusstsein und Eigenbewegung – darüber verfügen nur Mensch und Tier (nicht jedoch Pflanzen oder Mineralien).

  • Als höchste Ebene gilt die Ich-Organisation (geistige Ebene), die gemäß dem anthroposophischen Menschenbild die geistige und unvergängliche Individualität des Menschen (das „Geistige im Menschen“) bezeichnet. Das bedeutet, dass der Mensch eine Persönlichkeit hat, selbstständig, selbstbewusst, eigenständig denkend und einzigartig ist. Über diese Ebene verfügt nur der Mensch.

 

Das umfassende Menschenbild, das der Anthroposophischen Medizin mit diesen vier Wesensgliedern zugrunde liegt, ermöglicht es den Ärzt:innen und Therapeut:innen, die Zusammenhänge zwischen Körper, Seele und Geist besser zu verstehen.

 

4. Was bedeutet „Dreigliederung“?

Der menschliche Organismus ist in drei funktionelle Systeme gegliedert, die beim gesunden Menschen harmonisch interagieren. Dabei stehen sich das Stoffwechsel-Bewegungs- und das Nerven-Sinnessystem als gegensätzliche Pole gegenüber. Dazwischen befindet sich das Rhythmische System als ausgleichende Mitte. Sind diese Wechselbeziehungen gestört, kann Krankheit entstehen.

Rudolf Steiner hat neben dem Prinzip der „Viergliederung“ noch ein weiteres System des menschlichen Organismus entwickelt, das grundlegend für die Ausarbeitung der Anthroposophischen Medizin war und ist: die so genannte „Dreigliederung“. Nach diesem Prinzip ist der menschliche Organismus in drei funktionelle Systeme gegliedert:

  • Das Stoffwechsel-Bewegungssystem erhält den Organismus durch den Aufbau- und Energiestoffwechsel. Diese Prozesse verlaufen völlig unbewusst.

  • Polar dazu steht das wache Nerven-Sinnessystem, das alle bewussten Wahrnehmungen, Gedanken und Bewegungen ermöglicht und dessen Abbauprozesse den Organismus im Tagesverlauf ermüden, so dass er sich immer wieder im Schlaf neu regenerieren muss.

  • Zwischen beiden vermittelt das Rhythmische System mit Atmung und Kreislauf.

 

Diese drei Systeme haben ihre Schwerpunkte in den drei Körperebenen: das Nerven-Sinnessystem im Kopf, das Rhythmische System in der Brust, das Stoffwechsel-Bewegungssystem im Bauchraum – trotzdem stehen alle drei miteinander in enger Wechselwirkung. Die funktionellen drei Systeme werden durch das spezifische Zusammenspiel der vier Wesensglieder (s. Viergliederung) gebildet. Krankheit bedeutet stark vereinfacht, dass das spezifische Zusammenspiel gestört oder einseitig werden kann. Die Bezüge auf diese Systeme finden sich in der Anthroposophischen Medizin sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie.

 

5. Wie unterscheidet sich die Anthroposophische Medizin von der Allopathie / Homöopathie / Phytotherapie? Was haben diese Ansätze gemeinsam?

In der Anthroposophischen Medizin werden integrativ schulmedizinische Erkenntnisse und Methoden aller Therapieformen einbezogen. Darüber hinaus setzt die Anthroposophische Medizin - wie die Homöopathie und Phytotherapie - darauf, die Selbstheilungskräfte des Organismus zu stärken. Zwischen Anthroposophischer Medizin und Homöopathie bzw. Phytotherapie gibt es zahlreiche Überschneidungen, vor allem im pharmazeutischen Bereich, aber auch wesentliche Unterschiede.

Die Anthroposophische Medizin versteht sich – ganz im Sinne einer Integrativen Medizin – nicht als Gegensatz, sondern als Erweiterung der Schulmedizin (Allopathie) und bezieht deren Erkenntnisse und Methoden ein. Trotzdem gibt es wichtige Unterschiede:  

Die Anerkennung einer geistigen Ebene sowie ein Verständnis, wie die Seele bis in die Körperlichkeit formt und beeinflusst, ist Grundlage der Anthroposophischen Medizin. Dieses ist in der Allopathie nicht verankert. Dieser grundlegende Unterschied zeigt sich bis in die Therapiekonzepte. Die Erweiterung der Therapiemöglichkeiten über die körperliche Ebene hinaus, ohne diese auszuschließen, erscheint im Sinne einer Integration nachvollziehbar. Die Anthroposophische Medizin hat zum Ziel, Impulse zu geben, so dass der Mensch wieder zu einer gesunden, dauerhaften Harmonie zwischen den Wesensgliedern gelangen kann. Wir sprechen hier auch von Selbstregulation oder Selbstheilung.

Auch in der Homöopathie und der klassischen Phytotherapie steht die Anregung der Selbstheilungskräfte im Vordergrund. Beide Therapierichtungen arbeiten wie die Anthroposophische Medizin mit Natursubstanzen. In der Phytotherapie spielt der Stoff in seiner Materialität - wie in der Allopathie - eine wichtige Rolle. In der Homöopathie werden die materiellen Stoffwirkungen aufgehoben. Die Anthroposophische Pharmazie nutzt das Potenzieren als pharmazeutischen Prozess auch zur Überwindung der Stofflichkeit. In Bezug auf die Arzneimittelfindung und die damit verbundenen Wirkprinzipien geht die Anthroposophische Pharmazie den Weg über die Erkenntnis. Das Ergebnis ist eine differenzierte Substanz- und Prozessauswahl. Die Vielfalt spiegelt das komplexe Geschehen zwischen Körper, Seele und Geist wider (siehe Frage 16).

Unabhängig von diesen unterschiedlichen Ansätzen im pharmazeutischen Bereich ist die Einbindung von Kunsttherapie und Heileurythmie, äußeren Anwendungen (wie Wickel und Auflagen) sowie die Rhythmische Massage eine Besonderheit der Anthroposophischen Medizin.

 

6. Welche Ausbildung haben Anthroposophische Ärzt:innen?

Anthroposophische Ärzt:innen haben zusätzlich zur Approbation und/oder ihrer Facharztausbildung eine Aus- und Weiterbildung in Anthroposophischer Medizin absolviert. 

Anthroposophische Ärzt:innen durchlaufen die „normale“ medizinische Ausbildung von Studium über Approbation bis zur Facharztausbildung. Nach dem Studium schließt sich eine mindestens dreijährige qualifizierte Aus- und Weiterbildung zu den besonderen Schwerpunkten der Anthroposophischen Medizin an. Die Ausbildung in Anthroposophischer Medizin wird in Seminaren sowohl in Ausbildungsblöcken als auch berufsbegleitend vermittelt. Auch während des Medizinstudiums gibt es verschiedene Optionen, sich in Anthroposophischer Medizin zertifiziert weiterzubilden. In Deutschland wird die entsprechende Zusatzbezeichnung „Anthroposophischer Arzt (GAÄD)“ von der Fachgesellschaft Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (GAÄD) verliehen. Eine Anerkennung durch die Ärztekammern wird angestrebt, ist aber noch nicht realisiert.

Da für die verschiedenen Therapieformen der Anthroposophischen Medizin (Heileurythmie, Kunsttherapie etc.) sowie für Ärzte und Pflegende jeweils eigene Regeln zur Aus-, Fort- und Weiterbildung gelten, sind die wichtigsten Varianten im Internet im Überblick zusammengestellt: https://medsektion-goetheanum.org/ausbildung

 

Woher kommt die Anthroposophische Medizin?

7. Wie und von wem wurde die Anthroposophische Medizin entwickelt?

Gemeinsam mit der Ärztin Dr. Ita Wegman (1876 bis 1943) entwickelte der promovierte Philosoph und Naturwissenschaftler Dr. Rudolf Steiner (1861 bis 1925) vor über 100 Jahren das Konzept der Anthroposophischen Medizin.

Gemeinsam mit der Ärztin Dr. Ita Wegman (1876 bis 1943) entwickelte der promovierte Philosoph und Naturwissenschaftler Dr. Rudolf Steiner (1861 bis 1925) als Begründer der Anthroposophie Anfang des vergangenen Jahrhunderts das integrative Konzept der Anthroposophischen Medizin.

Historische Entwicklung

Seinen ersten öffentlichen Vortrag zu einem erweiterten Ansatz der Medizin („Die Geisteswissenschaftlichen Grundlagen der leiblichen und seelischen Gesundheit“, GA 334) hielt Rudolf Steiner am 6. Januar 1920. Dabei äußerte er den Wunsch, sich mit Experten zu diesem Thema weiter auszutauschen. Unter den Zuhörern war auch der Chemiker Dr. Oskar Schmiedel, der diesen Gedanken sogleich aufgriff und vorschlug, einen entsprechenden Fachkurs zu organisieren. Das Vorhaben wurde umgesetzt, so dass Rudolf Steiner in der Osterzeit 1920 den so genannten „Ersten Ärztekurs“ hielt (Geisteswissenschaft und Medizin, GA 312). Dieses Datum markiert den Beginn der Anthroposophischen Medizin. Aufbauend auf diesen ersten Fachkurs fand in der Osterzeit 1921 der so genannte „Zweite Ärztekurs“ statt (Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie, GA 313). Im selben Jahr wurden die ersten Anthroposophischen Arzneimittel im industriellen Maßstab hergestellt. Dieses Datum steht für dem Beginn der Anthroposophischen Pharmazie.

In den folgenden Jahren arbeitete Rudolf Steiner eng mit der Ärztin Dr. Ita Wegman zusammen, um die konzeptionelle Arbeit an einer geisteswissenschaftlich erweiterten Medizin zu vertiefen. Zusammen verfassten die beiden Autoren das 1925 erschienene Buch „Grundlegendes zu einer Erweiterung der Heilkunst“, das bis heute als Basis-Werk für die Anthroposophische Medizin gelesen wird. Gleichzeitig setzte Ita Wegman das mit Rudolf Steiner entwickelte Konzept als Ärztin auch praktisch in die Tat um und gründete 1921 die erste Anthroposophische Klinik, die heutige Klinik Arlesheim. Auch Steiner nahm dort regelmäßig an Patientenbesprechungen teil und entwickelte gemeinsam mit Ita Wegman und Oskar Schmiedel wichtige Grundlagen für weitere Arzneimittel. 1922 und 1923 folgten weitere Vorträge für Ärzte und auf Wunsch jüngerer Ärzte die so genannten „Jungmedizinerkurse“: der Weihnachtskurs Anfang Januar und der Osterkurs Ende April 1924. 

Auch die Grundlagen für die Rhythmische Massage (nach Ita Wegman) sowie für spezielle Pflegeformen, wie besondere Wickel und Einreibungen, wurden in diesen Jahren von Ita Wegman entwickelt. Gleichzeitig kam von Rudolf Steiner die Anregung, Kunst als ergänzende Therapie einzusetzen, damit wurde der Grundstein für die Anthroposophische Kunsttherapie gelegt. Das Konzept zur Heileurythmie entstand ebenfalls Anfang der 1920-er Jahre. Dazu hielt Steiner 1921 einen Kurs, dessen Impulse bis heute ausstrahlen.

 

Wo steht die Anthroposophische Medizin heute?

8. Wie ist die Anthroposophische Medizin im deutschen Gesundheitssystem verankert?

Die Anthroposophische Medizin ist seit 1976 im Arzneimittelgesetz verankert und im Sozialgesetzbuch V als „Besondere Therapierichtung“ anerkannt. Für die Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung gelten unterschiedliche Regeln.

In Deutschland ist die Anthroposophische Medizin seit 1976 im Arzneimittelgesetz verankert und seit 1989 im Sozialgesetzbuch V als „Besondere Therapierichtung“ (neben der Phytotherapie und der Homöopathie) gesetzlich anerkannt.

Die Anthroposophische Medizin ist in der Gesetzlichen Krankenversicherung vertreten und ihre Leistungen stehen allen Versicherten – unabhängig davon, ob gesetzlich oder privat versichert – zur Verfügung. Für die Kostenübernahme durch die Gesetzliche Krankenversicherung gelten folgende Regeln: 

  • Die Kosten für die anthroposophisch-medizinische Behandlung bei niedergelassenen Anthroposophischen Ärzt:innen (mit Kassenzulassung) werden von den Krankenkassen übernommen (Ausnahme: erweiterte Anamnese). 

  • Stationär gilt die Regel, dass der Aufenthalt in einem Anthroposophischen Krankenhaus von den Krankenkassen übernommen wird. 

  • Verordnete Therapien können, aber müssen nicht erstattet werden. Ausnahme: Mittlerweile bieten einige Krankenkassen die Anthroposophische Medizin als „Integrierte Versorgung“ an, bei der auch die Kosten für die Anthroposophischen Therapien als garantierte Leistungen über die Chipkarte abgerechnet werden. 

  • Für die Arzneimittel gilt: Viele Anthroposophische Arzneimittel sind nicht verschreibungspflichtig und werden deshalb seit 2004 nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt. Ausnahme: Arzneimittel für Kinder und Jugendliche sowie bei schwerwiegenden Krankheitsbildern. Inzwischen haben aber auch einige Krankenkassen die Erstattung von Anthroposophischen Arzneimitteln in ihre Satzungsleistungen aufgenommen (meist bis zu einem Höchsterstattungsbetrag von 100 Euro pro Jahr).

9. Wie viele Anthroposophische Ärzt:innen gibt es in Deutschland?

In Deutschland sind rund 800 Ärzt:innen zertifiziert weitergebildet und Mitglieder der entsprechenden Fachgesellschaft. Allerdings verordnen weitaus mehr Ärzt:innen die Anthroposophischen Therapien und Arzneimittel (bis zu 2.000 Ärzt:innen) und können deshalb als „anthroposophisch orientiert“ bezeichnet werden.

In der medizinischen Versorgung übernimmt die Anthroposophische Medizin einen sehr aktiven, wenn auch zahlenmäßig kleinen Part: Deutschlandweit gibt es rund 800 zertifiziert weitergebildete Anthroposophische Ärzt:innen, die gleichzeitig Mitglieder der Fachgesellschaft Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (GAÄD) sind. Anthroposophische Arzneimittel und Therapien werden jedoch von weitaus mehr Ärzt:innen verordnet: Bis zu 2.000 Ärzt:innen können deshalb als „anthroposophisch orientiert“ bezeichnet werden. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hat zum Beispiel ermittelt, dass Anthroposophische Arzneimittel im Jahr 2019 in Deutschland einen Umsatz von 66,2 Millionen Euro erzielt haben (Quelle: BPI Pharmadaten 2020: https://www.bpi.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Publikationen/Pharma-Daten/Pharma-Daten_2020_DE.pdf).

Die Anzahl der Mitarbeiter:innen in den stationären Einrichtungen der Anthroposophischen Medizin liegt bei rund 2.170 (Ärzt:innen und Pflegekräfte). Anthroposophische Ärzt:innen arbeiten auch in Kooperation mit Pädagog:innen als Schulärzt:innen, in der Heilpädagogik und in der Suchttherapie.

Zum erweiterten Therapiespektrum der Anthroposophischen Medizin gehören die Therapien Kunsttherapie, Heileurythmie, Rhythmische Massage nach Dr. Ita Wegman sowie die Öldispersionsbadetherapie. In Deutschland arbeiten mehr als 500 Heileurythmist:innen sowie mehr als 130 Therapeut:innen der Rhythmischen Massage nach Dr. Ita Wegman (Stand August 2021).

Eine Besonderheit in der Praxis der ambulanten Medizin bilden die 26 Therapeutika, in denen Ärzt:innen und Therapeut:innen (Kunsttherapie, Heileurythmie, Rhythmische Massage, Pflege) eng zusammenarbeiten. In dieser Form der interdisziplinären Zusammenarbeit entsteht ein sinnvoller Rahmen für die Anwendung des vielfältigen Therapiespektrums der Anthroposophischen Medizin. In den letzten Jahren hat sich außerdem zwischen einigen Kliniken und mehreren Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) eine enge Zusammenarbeit an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung entwickelt.

 

Während die Anthroposophische Medizin im stationären und ambulanten Bereich in den ersten Jahren ihres Bestehens nur im deutschsprachigen Raum angewendet wurde, breitete sie sich in den vergangenen Jahrzehnten weltweit aus und wird inzwischen in über 65 Ländern der Erde eingesetzt. 

 

10. Wie viele Anthroposophische Krankenhäuser gibt es in Deutschland?

In Deutschland gibt es 13 Anthroposophische Klinikeinrichtungen: 9 Akut- bzw. Fachkliniken sowie 4 Reha- und Kurkliniken.

Stationär ist die Anthroposophische Medizin in Deutschland durch 13 Klinikeinrichtungen vertreten, von denen sechs Akutkliniken, drei Fachkliniken und vier Reha- und Kurkliniken sind. Die Akutkrankenhäuser kommen dem gesetzlichen Versorgungsauftrag für die Bevölkerung nach. Die drei größten Akutkliniken sind Herdecke (Witten-Herdecke), Havelhöhe (Berlin) und die Filderklinik (Filderstadt, nahe Stuttgart). Daneben gibt es Fachkliniken für Psychiatrie und Psychosomatische Medizin, ebenso wie internistische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern sowie Reha-Einrichtungen mit den Schwerpunkten Krebsnachsorge, Geriatrie, Psychosomatik und Eltern-Kind-Kuren.

Insgesamt kommt die Anthroposophische Medizin auf über 1.900 Betten, davon ca. 1.700 im Akut- und 200 im Reha-Bereich. Außerdem gibt es 24 Anthroposophische Pflegeheime plus 23 Anthroposophische Pflegedienste sowie 263 Anthroposophische heilpädagogische Einrichtungen.

Weitere Infos zu den Kliniken unter www.anthro-kliniken.de

 

11. Wer vertritt die Interessen der Anthroposophischen Medizin in Deutschland?

In Deutschland übernimmt der DAMiD als Dachorganisation die Aufgabe, das gesamte Spektrum der Anthroposophischen Medizin gegenüber Politik, Selbstverwaltung und Öffentlichkeit zu vertreten.

Die Interessensvertretung für die Anthroposophische Medizin übernimmt in Deutschland der Dachverband Anthroposophische Medizin in Deutschland (DAMiD). Dieser Verband setzt sich auf politischer, institutioneller und praktischer Ebene für die übergeordneten Belange des gesamten Spektrums der Anthroposophischen Medizin ein. Die wichtigsten Ziele sind: Die Wahrnehmung und Akzeptanz der Anthroposophischen Medizin in Deutschland zu erhalten und auszubauen; die Therapievielfalt und den Methodenpluralismus in der Medizin zu stärken, die Verfügbarkeit von Therapien und Arzneimitteln der Anthroposophischen Medizin im Gesundheitssystem zu gewährleisten und rechtlich abzusichern sowie die Berücksichtigung der Komplementärmedizin in Forschung und Lehre voranzubringen.

Inzwischen gibt es auch eine eingetragene Marke für die Anthroposophische Medizin: AnthroMed®. Inhaber dieser Marke ist eine gemeinnützige GmbH, die unter diesem Namen ein zertifiziertes Netzwerk von Anthroposophischen Kliniken organisiert und mittlerweile auch eine Zertifizierung für Heileurythmist:innen und Anthroposophische Apotheken entwickelt hat. Die Marke AnthroMed® ermöglicht es zum einen, den Begriff „Anthroposophische Medizin“ zu schützen. Zum anderen wird es damit einfacher, den Patientinnen und Patienten gegenüber klar transportierbare Qualitätsmerkmale zur Anthroposophischen Medizin zu vermitteln. Durch die Zertifizierung zu AnthroMed® bekommen die Patienten ein Siegel, das zuverlässig über die Qualität der Anthroposophischen Medizin Auskunft gibt und ein garantiertes Leistungsversprechen umfasst. Es ist geplant, die Markenbildung für alle Bereiche und Berufsgruppen der Anthroposophischen Medizin weiterzuentwickeln.

12. Gibt es eine Berufsorganisation Anthroposophischer Ärzt:innen?

Die Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (GAÄD) ist die Berufsorganisation für Anthroposophische Ärzte/Ärztinnen. Auch international gibt es länderspezifische Berufsorganisationen. Übergeordnet ist die Anthroposophische Medizin über das Goetheanum in Dornach (CH) organisiert.

Ja, die Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland (GAÄD) als ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Die GAÄD ist ein eingetragener Verein und wurde 1953 in Stuttgart gegründet. Als Fachgesellschaft kümmert sie sich um die Belange der Wissenschaft, Forschung sowie Lehre in Form von Aus-, Fort- und Weiterbildungen. Die GAÄD verleiht die Zusatzbezeichnung „Anthroposophischer Arzt“, die als Qualitätsnachweis für vertragsrechtliche Vereinbarungen mit Institutionen des Gesundheitswesens gilt.

Auf gesundheitspolitischer Ebene hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die GAÄD als wissenschaftliche Fachgesellschaft anerkannt. Die positive Entscheidung des G-BA ist ein Erfolg für die Anthroposophische Medizin, da die GAÄD damit in ihrer Arbeit bestärkt wird und ihre vielfältigen Aktivitäten im Bereich Wissenschaft und Forschung gewürdigt werden.

Die GAÄD gibt gemeinsam mit der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft / Medizinische Sektion die Zeitschrift Der Merkurstab (Zeitschrift für Anthroposophische Medizin) heraus: Der Merkurstab enthält grundlegende Darstellungen über Anthroposophische Medizin, medizinisch-experimentelle Arbeiten,  Natur- und Substanzbetrachtungen, biographische Studien, sozialhygienischen Beiträge, therapeutische Kolloquien sowie Berichte und Buchbesprechungen.

 

 

Wie wirkt ein Anthroposophisches Arzneimittel?

13. Was ist ein Anthroposophisches Arzneimittel?

Ein Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt, hergestellt und angewendet wird. Die regulatorischen Anforderungen sind über Arzneimittelbücher international verankert.

Laut Arzneimittelgesetz in Deutschland gilt für ein Anthroposophisches Arzneimittel folgende Definition:

„Anthroposophisches Arzneimittel ist ein Arzneimittel, das nach der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis entwickelt wurde, nach einem im Europäischen Arzneibuch oder, in Ermangelung dessen, nach einem in den offiziell gebräuchlichen Pharmakopöen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beschriebenen homöopathischen Zubereitungsverfahren oder nach einem besonderen anthroposophischen Zubereitungsverfahren hergestellt worden ist und das bestimmt ist, entsprechend den Grundsätzen der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis angewendet zu werden.“ (AMG § 4, Nr. 33)

Aus der Perspektive der Anthroposophischen Medizin kann ergänzt werden: „In einem engeren Sinne der substanziellen Erweiterung der Medizin durch neue Methoden und Wirkprinzipien ist ein Anthroposophisches Arzneimittel ein solches, das unter anthroposophischen Gesichtspunkten entwickelt, pharmazeutisch zubereitet und ärztlich verordnet wird, um eine im Einzelfall erfasste krankheitsrelevante Störung im Zusammenspiel der Wesensglieder einer Heilung zuzuführen. Das Anthroposophische Arzneimittel im eigentlichen Sinne erwächst demnach aus einer engen Zusammenarbeit anthroposophisch arbeitender Pharmazeuten mit anthroposophisch orientierten Ärzten. Seitens der Patienten ist – entgegen der landläufigen Meinung – kein Vorverständnis oder gar ‚Glaube‘ an seine Wirksamkeit notwendig.“ (Vademecum, 2008, Seite 345 f.)

Grundlegend für die Anthroposophische Pharmazie sind nach wie vor die Forschungsergebnisse, die Rudolf Steiner zusammen mit Ita Wegman sowie anthroposophisch orientierten Pharmazeuten Anfang des vergangenen Jahrhunderts erarbeitet hatte. Seit damals werden diese Grundlagen nach modernen Erkenntnissen laufend weiterentwickelt.

14. Wie helfen Anthroposophische Arzneimittel?

Anthroposophische Arzneimittel können den Menschen in der Selbstheilung unterstützen. Ausgangspunkt sind Substanzen aus allen Naturreichen, die eine innere Verwandtschaft zu physiologischen oder pathologischen Vorgängen im menschlichen Organismus haben. Sie werden im pharmazeutischen Prozess zum Wirkstoff.   

Zur Beantwortung dieser Frage sei noch einmal kurz auf die Definition von Krankheit in der Anthroposophischen Medizin hingewiesen: Krankheit entsteht, wenn ein sonst normaler, gesunder Prozess am falschen Ort, zur falschen Zeit oder in der falschen Intensität abläuft. Dementsprechend ist es die Aufgabe der Anthroposophischen Arzneimittel, den Menschen darin zu unterstützen, pathologische Ungleichgewichte auszugleichen und physiologische Prozesse in ihre rhythmische Wechselwirkung zurückzuführen. Dafür setzt die Anthroposophische Pharmazie mineralische, pflanzliche oder tierische Ausgangsstoffe ein, die aufgrund ihrer Stellung in der Natur eine innere Verwandtschaft zu physiologischen oder pathologischen Vorgängen im menschlichen Organismus haben.

Ein unkompliziertes Beispiel: Betrachtet man die Pflanze Zaunrübe (Bryonia) genauer, fällt ihre ganz besondere „Wachstumsgeste“ auf: In ihrer Wurzel (Rübe) sammelt sie die Flüssigkeit der Umgebung und bringt diese in eine Form. Bryonia trägt als Heilpflanze das Potential, z. B. bei Verschleimungen der Luftwege oder auch bei Flüssigkeitsansammlungen im Gelenk ordnend zu wirken.

Ein Wirkstoff entsteht aus einem Ausgangsstoff jedoch erst durch die Anwendung gezielt eingesetzter pharmazeutischer Prozesse.

In der Anthroposophischen Medizin wird die Komplexität des Menschen aus der Beziehung seiner Wesensglieder abgeleitet. Die Pathologie kann als „Beziehungsstörung“ verstanden werden. Daher unterstützen die anthroposophischen Arzneimittel den Menschen, wieder in sein individuelles Gefüge zurückzufinden: Beziehungen können untereinander gestärkt, abgeschwächt, harmonisiert oder im Stoß-Gegenstoß-Prinzip aktiviert werden. Ein Arzneimittel bedient dabei häufig unterschiedliche Prinzipien zur Steigerung des Impulses. 

 

15. Was ist das Besondere an den Anthroposophischen Arzneimitteln?

Die Anthroposophische Medizin / Pharmazie sieht enge Verknüpfungen zwischen dem Menschen und den Gesetzmäßigkeiten der Naturreiche. Dieser Ansatz und – damit verbunden – verschiedene spezielle Herstellungsverfahren sind einzigartig für die Anthroposophische Pharmazie.

Die Wirkung der Anthroposophischen Arzneimittel definiert sich nicht über ein mechanistisches pharmakologisches Schlüssel-Schloss-Prinzip. Ihre Grundlage besteht vielmehr darin, den Menschen mit seinen Gesundungskompetenzen in den Mittelpunkt zu stellen und ihn als komplexes, lebendiges Wesen anzuerkennen. Als dieses steht er in enger Beziehung zu allen Naturreichen. Dieser Ansatz ist einzigartig für die Anthroposophische Medizin und entsprechend für die Anthroposophischen Arzneimittel. Daraus resultiert die Auswahl der Natursubstanzen und die besondere Bedeutung der Herstellungsprozesse für die Wirkstoffherstellung (wie zum Beispiel die Herstellung von Metallspiegeln oder die Anwendung von spezifischen rhythmischen Verfahren). Die prozessuale Betrachtung der Stoffe ist ein Alleinstellungsmerkmal der Anthroposophischen Pharmazie. Von Bedeutung ist ferner, dass natürliche Substanzen in ganz neuartiger Kombination oder Komposition, deren Konzeption auf dem anthroposophischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit beruht, zu sehr wirksamen und gut verträglichen Arzneimitteln verarbeitet werden.

 

16. Was unterscheidet die Anthroposophischen Arzneimittel von denen der Allopathie / Homöopathie / Phytotherapie? Was haben sie gemeinsam?

Während Allopathika in erster Linie eingesetzt werden, um Symptome zu lindern und/oder krankmachende Prozesse zu unterdrücken, haben Anthroposophische Arzneimittel eine salutogenetische Ausrichtung. Das heißt, sie unterstützen den Organismus in seinen Selbstheilungskräften. Zu den Arzneimitteln der Homöopathie und der Phytotherapie gibt es bei der Wahl der Ausgangsstoffe und Herstellungsverfahren sowohl Überschneidungen als auch Unterschiede.

Grundsätzlich wirken Anthroposophische Arzneimittel auf verschiedenen Ebenen mit dem Ziel, die regenerativen Kräfte des Organismus so weit zu stärken, dass eine Krankheit aus eigener Kraft überwunden oder zumindest gelindert werden kann. Die einer bestimmten Erkrankung entsprechenden Substanzen werden der Natur entnommen und im Hinblick auf das therapeutische Ziel zum Wirkstoff weiterverarbeitet.

Anthroposophische Pharmazie versus Allopathie

Im Vergleich zu diesem mehrdimensionalen Ansatz enthalten die allopathischen Arzneimittel der modernen naturwissenschaftlichen Medizin in der Regel einen isolierten (meistens synthetischen) Wirkstoff und werden als Gegenmaßnahme gegen eine bestimmte Krankheit genutzt: um krankmachende Prozesse zu unterdrücken (Antibiotika, Antihypertensiva, Antihistaminika etc.) oder bestimmte Vorgänge zu substituieren (ersetzen). Und auch wenn die Anthroposophische Medizin als integrative Medizin diese Arzneimittel je nach Schwere des Krankheitsbildes ebenfalls nutzt, so ist ihr Ansatz doch ein anderer: In Diagnose und Therapie stehen nicht alleine die körperlichen Befunde im Mittelpunkt, sondern der gesamte Kontext der Beschwerden eines Patienten.

Anthroposophische Pharmazie versus Homöopathie und Phytotherapie

In der Homöopathie bestimmt das sogenannte Arzneimittelbild die Auswahl des Medikamentes. Homöopathische Therapeuten behandeln charakteristische Symptome mit Arzneimitteln, die bei einem Gesunden ähnliche Symptome wie die zu behandelnden Krankheitssymptome hervorrufen, nach der von Samuel Hahnemann aufgestellten Simile-Regel: Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden.

Wieder anders setzt die traditionelle Phytotherapie an, die vor allem auf die Erfahrungen baut, die über Jahrhunderte (teils Jahrtausende) mit pflanzlichen Arzneimitteln gesammelt wurden, während die moderne Phytotherapie entsprechend der modernen Pharmakologie wirkstofforientiert ist. Als Ausgangsstoffe werden frische oder getrocknete Pflanzen und Pflanzenteile, aber auch Extrakte eingesetzt, die beispielsweise zu Tees, Kapseln, Tropfen oder Salben weiterverarbeitet werden können. Man unterscheidet die schulmedizinische Phytotherapie, die auf der naturwissenschaftlich begründeten Medizin basiert, von der traditionellen Phytotherapie, die sich aus der Volksheilkunde (traditionelle abendländische Medizin) entwickelt hat. Phytotherapeutische Arzneimittel werden meist auf eine Leitsubstanz hin standardisiert, welche nicht identisch mit der Wirksubstanz sein muss, und in konzentrierter Form angewendet.

Anthroposophische Arzneimittel können sowohl potenzierte Natursubstanzen enthalten - wie in der Homöopathie – als auch konzentrierte pflanzliche Substanzen – wie in der Phytotherapie. Somit kommen in der Anthroposophischen Pharmazie – neben speziellen anthroposophischen Verfahren – viele Herstellungsverfahren der Homöopathie und Phytotherapie zum Einsatz. Die Wahl der Verfahren erfolgt allerdings nach anderen Kriterien. Unterschiede kann es auch bei den verwendeten Pflanzenteilen bestimmter Heilpflanzen geben.

Außerdem sind für die Anthroposophische Medizin auch Präparate aus natürlichen mineralischen oder tierischen Rohstoffen von zentraler Bedeutung, die in der Phytotherapie keine Rolle spielen.

 

17. Gibt es ein Lehrbuch zur Anthroposophischen Pharmazie?

Das Buch Anthroposophische Pharmazie (2017) informiert umfassend über die Grundlagen,
Herstellprozesse und Arzneimittel der Anthroposophischen Pharmazie.

Ja, das im Salumed Verlag erschienene Buch Anthroposophische Pharmazie, in welchem die Grundlagen, Herstellprozesse und Arzneimittel vorgestellt werden. Es richtet sich an Ärzt:innen und Pharmazeut:innen.

Anthroposophische Pharmazie
Ulrich Meyer, Peter Alsted Pedersen (Hrsg.)
1. Auflage, korrigierter Nachdruck 2017, 807 Seiten, Salumed Verlag,
ISBN: 978-3-9289143-14

Kurzbeschreibung: „Das vorliegende Lehrbuch Anthroposophische Pharmazie ist ein erster, aus meiner Sicht sehr gut gelungener Ansatz, vielschichtige Aspekte strukturiert zusammenzuführen. Denjenigen, die mit der Entwicklung, Zusammensetzung und Herstellung, aber auch der Zulassung von anthroposophischen Arzneimitteln befasst sind, sowie natürlich allen anderen an der Thematik Interessierten, werden hier Zusatzinformationen an die Hand gegeben, die in klassischen pharmazeutischen Lehrbüchern und den gültigen Arzneibüchern nicht zu finden sind.“ (Prof. Dr. Rolf Daniels, Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie, Eberhard Karls Universität Tübingen)

 

 

18. Gibt es ein Handbuch/ Vademecum zu Anthroposophischen Arzneimitteln?

Das Vademecum Anthroposophische Arzneimittel informiert als Nachschlagewerk umfassend zu den Anthroposophischen Arzneimitteln aus der Perspektive praktisch und klinisch tätiger Ärzt:innen.

Ja, das Vademecum Anthroposophische Arzneimittel als Nachschlagewerk zu den Anthroposophischen Arzneimitteln. Herausgegeben wurde das Vademecum von der Gesellschaft Anthroposophischer Ärztinnen und Ärzte in Deutschland e.V. (GAÄD) und der Medizinischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Dornach/Schweiz. In diesem Kompendium der Anthroposophischen Arzneimittel wird aus der Perspektive praktisch und klinisch tätiger Ärzt:innen geschildert, wie die Arzneimittel der Anthroposophischen Medizin wirken und eingesetzt werden. Die gebündelt vorgestellten Angaben beruhen auf therapeutischen, in einem Review-Verfahren geprüften Erfahrungen von annähernd 300 Ärzt:innen aus rund 20 Ländern. Die aktualisierte 4. Auflage (2017) besteht aus zwei Teilbänden:

Teilband 1 verzeichnet 1.778 Indikationen von insgesamt 627 Arzneimittelgruppen mit detaillierten Informationen zu Zusammensetzung, Darreichungsform, Dosierung und zugelassenen Anwendungsgebieten.

Teilband 2 widmet sich umfassend der anthroposophischen Misteltherapie. Er bietet ein 160-seitiges Grundlagenkapitel und Berichte zu insgesamt 70 Indikationen.

Dem Werk liegt eine unabhängige, von wirtschaftlichen Interessenkonflikten freie, internationale Zusammenarbeit Anthroposophischer Ärzt:innen zu Grunde.

Inzwischen ist das Vademecum in verschiedenen Sprachen erschienen. Weitere Informationen sowie Bestellung online unter: www.vademecum.org

 

19. Welche Ausbildung haben Anthroposophische Apotheker:innen oder PTA?

Nach erfolgreichem Abschluss des Pharmazie-Studiums bzw. der PTA-Ausbildung kann der Fachtitel „Apotheker/in für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ bzw. „PTA für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ erworben werden. Dazu müssen entsprechende Weiterbildungsveranstaltungen besucht werden.

Um den Fachtitel „Apotheker/in für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ oder  „PTA für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ zu erwerben, müssen entsprechende Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen der Fachgesellschaft GAPiD besucht werden: Laut interner Weiterbildungsordnung (IWO) sind für Apotheker:innen 150 Weiterbildungsstunden, für PTA 120 Weiterbildungsstunden vorgeschrieben, die innerhalb von vier Jahren nachzuweisen sind und zum Beispiel durch das Belegen von verschiedenen Modulen absolviert werden können. Die Zusammenstellung der Module kann frei gestaltet werden. Basiskurse für Apotheker:innen (und Ärzt:innen) finden regelmäßig deutschlandweit statt, zum Beispiel bei der WALA Heilmittel GmbH, der Weleda AG und der ABNOBA Heilmittel GmbH.

Um den Titel zu erhalten, müssen außerdem eine Projektarbeit vorgelegt und ein Abschlussgespräch mit dem IWO-Prüfungsausschuss geführt werden.

Die GAPiD bietet darüber hinaus auch den Erwerb des Titels „Referent/in für Anthroposophische Pharmazie (GAPiD)“ an.

 

Wie werden Anthroposophische Arzneimittel hergestellt? Wie angewendet?

20. Wie werden die Anthroposophischen Arzneimittel hergestellt?

Die Anthroposophischen Arzneimittel werden vorwiegend in rhythmischen Prozessen und/oder abgestuften Wärmeanwendungen hergestellt. Einige spezielle Herstellverfahren werden ausschließlich in der Anthroposophischen Pharmazie eingesetzt.

Anthroposophische Arzneimittel sind sehr vielfältig. So gibt es sowohl Monopräparate mit potenzierten oder konzentrierten Wirkstoffen als auch (Arzneimittel mit mehreren Wirkstoffen, die sich entweder als Kombination ergänzen oder als Komposition eine neue Einheit mit einer spezifischen Wirkqualität bilden.

Die Wirkstoffe von Anthroposophischen Arzneimitteln sind fast ausschließlich natürlichen Ursprungs, verwendet werden mineralische/metallische, pflanzliche und tierische Ausgangsstoffe. Bei den Heilpflanzen sind besonders die Mistel, Arnika, Euphrasia, Calendula oder Kamille bekannt. Die meisten Heilpflanzen kommen aus dem biologisch-dynamischen Anbau oder aus zertifizierter Wildsammlung.

Für die Wahl des Herstellungsverfahrens eines Anthroposophischen Arzneimittels ist das jeweilige therapeutische Ziel entscheidend. Die Anthroposophischen Arzneimittel werden vorwiegend in rhythmischen Prozessen und/oder abgestuften Wärmeanwendungen hergestellt. Zur Herstellung setzt die Anthroposophische Medizin u.a. folgende Verfahren ein: Lösen und Kristallisieren; Extrahieren (z. B. Mazerieren, Überbrühen, Auskochen); Flüssiges Potenzieren; Festes Potenzieren; Fermentieren; Destillieren; Schmelzen und Verdampfen sowie Rösten, Verkohlen, Veraschen.

Außerdem gibt es einige spezielle anthroposophisch-pharmazeutische Herstellverfahren, die ausschließlich in der Anthroposophischen Pharmazie eingesetzt werden. So das Metallspiegel-Verfahren, bei dem durch den besonderen Herstellungsprozess eine außergewöhnliche Wirkungsqualität erreicht wird, da die spezifische Eigenschaft des Metalls noch stärker herausgearbeitet wird. Ein Beispiel für eine typische Anthroposophische Medikation mit einem Metallpräparat ist die Kupfersalbe, die bei venösen Durchblutungsstörungen, krampfartigen Beschwerden des Magen-Darm-Traktes oder Nierenfunktionsstörungen eingesetzt werden kann.  

Sowohl die Ausgangsstoffe als auch die Fertigpräparate unterliegen einer strengen Qualitätskontrolle und den für alle Arzneimittel geltenden gesetzlichen Auflagen.

 

21. Wie werden Anthroposophische Arzneimittel angewendet?

Je nachdem, welches therapeutische Ziel erreicht werden soll, variiert die Applikationsart, der medikamentöse Zugang zum menschlichen Organismus. Für die Darreichung gibt es unterschiedliche Arzneiformen.

Die Anwendungsgebiete der Anthroposophischen Arzneimittel decken ein breites Spektrum ab – von Präparaten für die Selbstmedikation bei leichten Erkrankungen, wie z. B. Erkältungen, bis hin zu solchen, die bei schwerwiegenden Krankheitsbildern, wie z. B. Krebs (Misteltherapie), verordnet werden. Je nachdem, welches therapeutische Ziel erreicht werden soll, variiert der medikamentöse Zugang zum menschlichen Organismus, so dass die Anwendung entweder über die Haut und die Sinne, über das Verdauungssystem, über die Atmung oder direkt über das Blut möglich ist. Eingesetzt werden die Arzneimittel in unterschiedlichen Darreichungsformen: äußerlich zum Beispiel als Öle, Salben, Gele, Tinkturen, Augentropfen; innerlich als Tropfen (Dilutionen), Pulver (Triturationen), Streukügelchen (Globuli), Tabletten, Tees oder Zäpfchen. Außerdem gibt es Nasen- oder Rachensprays, und als Ampullen können die Anthroposophischen Medikamente subkutan oder intravenös injiziert werden.

 

22. Warum sind für die Anthroposophischen Arzneimittel die Prozesse so wichtig?

In der Anthroposophischen Pharmazie werden die Ausgangsstoffe prozessual betrachtet – in ihrem Werden und Entstehen. Die Ausgangsstoffe werden auch als „zur Ruhe gekommene Prozesse“ bezeichnet. Ihre Verarbeitung in ausgewählten pharmazeutischen Prozessen hat eine bestimmte therapeutische Wirksamkeit zum Ziel.

Da aus anthroposophischer Sicht die Stoffe „zur Ruhe gekommene Prozesse“ sind, werden in der Anthroposophischen Pharmazie auch die Ausgangsstoffe prozessual betrachtet, das heißt nach ihrem Werden und Entstehen. Rudolf Steiner hat es folgendermaßen formuliert: „Die Behandlungsart der Stoffe, das ist im Grunde genommen das Wesentliche. Und die Denkungsweise müsste aufhören, im Stoffe als solchem das Heilmittel zu suchen.“ („Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft“, 1924, GA 314).

Durch diese Perspektive, die neben der Herkunft der Ausgangsstoffe vor allem die Prozesse der Weiterverarbeitung in den Vordergrund rückt, ist in der Anthroposophischen Pharmazie eine Vielfalt von Verarbeitungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen Ausgangsstoffe entstanden. Ärzt:innen und Pharmazeut:innen haben damit die Möglichkeit, ein Arzneimittel sowohl in Bezug auf den Ausgangsstoff als auch auf die Herstellungsweise so gezielt auszuwählen, dass das Medikament genau auf den jeweiligen erkrankten Menschen und das entsprechende Krankheitsbild zugeschnitten ist.

Als Beispiel sei der aufwändige und pharmazeutisch anspruchsvolle Herstellvorgang von Mistelextrakten und ihre Behandlung durch spezielle Strömungsverfahren genannt.

 

Wie entstand die Anthroposophische Pharmazie?

23. Wie und von wem wurde die Anthroposophische Pharmazie entwickelt?

Die Anthroposophische Pharmazie geht ursprünglich auf das Engagement von Dr. Oskar Schmiedel zurück, der eng mit Dr. Rudolf Steiner und Dr. Ita Wegman zusammenarbeitete. Viele andere Pioniere – insbesondere Dr. Rudolf Hauschka – haben sich um die Entwicklung der Anthroposophischen Pharmazie verdient gemacht.

Die Anthroposophische Pharmazie geht ursprünglich auf das Engagement des Chemikers Dr. Oskar Schmiedel (1887–1959) zurück. Nach Angaben von Rudolf Steiner und Ita Wegman entwickelte Oskar Schmiedel nicht nur die ersten Anthroposophischen Arzneimittel und überführte die damals revolutionär neuen, andersartigen Rezepturen und Herstellprozesse in die pharmazeutische Praxis, sondern gab auch den entscheidenden Anstoß für den sogenannten „Ersten Ärztekurs“, den Rudolf Steiner im Frühjahr 1920 hielt.

Bereits 1914 errichtete Oskar Schmiedel ganz in der Nähe des Goetheanums in Dornach/Schweiz ein chemisches Laboratorium, nachdem er bereits einige Jahre zuvor Rudolf Steiner kennengelernt und seit 1912/13 erste Entwicklungen und Forschungen zu verschiedenen Fragestellungen in München betrieben hatte.

In Dornach entwickelte Oskar Schmiedel ab 1920 die ersten Anthroposophischen Arzneimittel, die von ihm und Rudolf Steiner konzipiert wurden.

Während des „Zweiten Ärztekurses“ im Frühjahr 1921 (siehe Frage 7) entstand eine erste offizielle Heilmittelliste mit 46 Präparaten. Im Sommer desselben Jahres siedelte Oskar Schmiedel mit seinem „Chemisch-Pharmazeutischen Versuchslaboratorium“ auf das Gelände des von Ita Wegman gegründeten „Klinisch-Therapeutischen Instituts“ um. Dort kam es auch weiterhin zu einer engen Zusammenarbeit zwischen Wegman, Schmiedel und Rudolf Steiner, der häufig an Patienten-Visiten teilnahm. Unter anderem aus diesem Labor entwickelte sich die heutige Weleda AG.

Natürlich gab es noch weitere Pharmazeuten, die sich intensiv für die Entwicklung der Anthroposophischen Arzneimittel einsetzten: Zum einen sei hier der Chemiker Dr. Rudolf Hauschka (1891-1969) genannt, der Rudolf Steiner 1924 begegnete und der auf seine Frage „Was ist Leben?“ von Steiner die inzwischen berühmt gewordene Antwort erhielt: „Studieren Sie die Rhythmen. Rhythmus trägt Leben“. Diese Antwort wurde zum Leitmotiv in Hauschkas weiterem Schaffen. Gleichzeitig entwickelte sich in diesen Jahren eine enge Zusammenarbeit mit Ita Wegman, die ihn 1928 anregte, an der Ausarbeitung neuer Heilmittel mitzuarbeiten. Hauschka folgte dieser Anregung und siedelte als wissenschaftlicher Mitarbeiter an das 1921 von Ita Wegman gegründete „Klinisch-Therapeutische Institut“ über. 1935 wurde dann von Hauschka das WALA Heilmittel Laboratorium gegründet, wobei der Name WALA für die beiden ursprünglichen Heilmittel-Herstellungsprozesse „Wärme – Asche“ und „Licht – Asche“ steht.

Weitere Pioniere der Anthroposophischen Pharmazie sind unter anderem Walther Cloos (1900-1985), Hans Krüger (1898-1988), Wilhelm Pelikan (1893-1981), Wilhelm Spieß (1885-1965) und Walter Schneider (1929-1990). Alle diese Pharmazeuten arbeiteten daran, auf der Grundlage der anthroposophischen Menschen- und Naturerkenntnis zusammen mit Ärzt:innen die Substanzen der Natur so zu verwandeln, dass diese dazu beitragen, das jeweilige therapeutische Ziel zu erreichen. Es gelang diesen Pionieren, mit ihren Ausführungen und den von ihnen entwickelten Arzneimitteln den Grundstock einer neuen Pharmazie zu legen, die noch heute wirk- und heilsam eingesetzt wird.

Literatur-Empfehlung: „Pioniere der Anthroposophischen Pharmazie“, herausgegeben von der GAPiD oder „Dr. Oskar Schmiedel“ bzw. „Rudolf Hauschka“ von Peter Selg (siehe Literaturliste am Ende).

 

Wo steht die Anthroposophische Pharmazie heute?

24. Wie sind Anthroposophische Arzneimittel in Deutschland / in Europa rechtlich verankert?

Nur in Deutschland und in der Schweiz sind Anthroposophische Arzneimittel gesetzlich verankert - in Deutschland gemäß Sozialgesetzbuch V und § 25 Abs. 6 und 7 Arzneimittelgesetz als „Besondere Therapierichtung“.

Anthroposophische Arzneimittel sind auf der Basis nationaler Gesetzgebung auf dem Markt, unter anderem in Deutschland, Großbritannien, Italien, Österreich und in der Schweiz. Die EU-Regelung in der Direktive 2001/83/EC hat keine Harmonisierung hergestellt. In der EU sind die nach homöopathischen Verfahren hergestellten anthroposophischen Arzneimittel den homöopathischen gleichgestellt. Alle anderen anthroposophischen Arzneimittel haben keine einheitliche EU-weit gültige Regelung.

Deutschland

Anthroposophische Arzneimittel sind gemäß Sozialgesetzbuch V und § 25 Abs. 6 und 7 Arzneimittelgesetz (AMG, 10. Novelle) als „Besondere“ bzw. „bestimmte“ Therapierichtung gesetzlich verankert. Der Marktzugang erfolgt über eine Zulassung (mit Angabe der Indikation) oder unter bestimmten Voraussetzungen (wie Herstellung nach einem im Homöopathischen Arzneibuch (HAB) beschriebenen Verfahren) über eine Registrierung (ohne Angabe einer Indikation). Werden von einem registrierungsfähigen Arzneimittel weniger als 1000 Packungen pro Jahr in den Verkehr gebracht, braucht es nicht registriert zu werden. Im Rahmen der Registrierung muss der Hersteller Unterlagen zu Unbedenklichkeit und Qualität bei der Zulassungsbehörde einreichen. Für eine Zulassung werden außerdem Belege der Wirksamkeit gefordert.

Wie andere Arzneimittel auch sind die Anthroposophischen Arzneimittel in der Apotheke erhältlich. Zu den ärztlich verordneten Anthroposophika gehören verschreibungspflichtige und apothekenpflichtige. Daneben gibt es eine ganze Reihe von OTC-Produkten für die Selbstmedikation, die zum größten Teil ebenfalls apothekenpflichtig sind.

Die Herstellung der registrierungsfähigen Arzneimittel ist durch die Ph. Eur. und das HAB geregelt. Hier sind Vorgaben zur Qualität aufgeführt.

Die Herstellbetriebe werden turnusmäßig durch staatliche Inspektionsbehörden überwacht.

Auch für die Arzneimittelsicherheit gelten gesetzliche Regeln: Unerwünschte Wirkungen werden an die Hersteller, an die Arzneimittelkommissionen und die Überwachungsbehörden gemeldet (allerdings sind Anthroposophische Arzneimittel sehr nebenwirkungsarm). (Jong MC, van Wietmarschen H, Glockmann A, Baars EW, Hamre HJ. Safety of Anthroposophic Medicinal Products: An analysis of adverse drug reactions from German pharmacovigilance databases. Drugs - Real World Outcomes 2021. https://doi.org/10.1007/s40801-021-00262-7) 

Europa

Nur in Deutschland und in der Schweiz sind Anthroposophische Arzneimittel gesetzlich verankert. Weitere Informationen sind im „Anthroposophic Pharmaceutical Codex“ (APC) der International Association of Anthroposophic Pharmacists (IAAP) zusammengestellt: https://iaap-pharma.org/

 

25. Was bedeutet das Kürzel „APC“?

„APC“ steht für Anthroposophic Pharmaceutical Codex und bezeichnet das Anthroposophische Arzneibuch.

Das Kürzel APC steht für „Anthroposophic Pharmaceutical Codex“ und bezeichnet das Anthroposophische Arzneibuch. Der APC wurde in der Schweiz, Brasilien und Australien bereits als Qualitätsdokumentation für die Registrierung Anthroposophischer Arzneimittel anerkannt. Der APC liegt seit 2020 als Ausgabe 4.2 vor und ist auf der Website der IAAP (International Association of Anthroposophic Pharmacists) zum Download vorbereitet: https://iaap-pharma.org/

 

26. Wie viele Anthroposophische Arzneimittel gibt es?

In Europa gibt es rund 2.000 zugelassene und/oder registrierte Anthroposophische Arzneimittel.

Laut International Association of Anthroposophic Pharmacists (IAAP) gibt es in Europa rund 2.000 zugelassene und/oder registrierte Anthroposophische Arzneimittel.

 

27. Welche Firmen stellen Anthroposophische Arzneimittel her?

Es gibt in Deutschland und der Schweiz fünf Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel: ABNOBA, Helixor, ISCADOR, WALA und Weleda.

In Deutschland und der Schweiz gibt es fünf Hersteller Anthroposophischer Arzneimittel: Die beiden größten sind die Weleda AG (Sitz in Schwäbisch Gmünd, gegründet 1921; Tochterunternehmen der in Arlesheim/ Schweiz ansässigen Weleda AG) und die WALA Heilmittel GmbH (Sitz in Bad Boll, gegründet 1935). Die Firmen ABNOBA GmbH, Helixor Heilmittel GmbH und ISCADOR AG haben sich auf anthroposophische Mistelpräparate spezialisiert.

 

28. Gibt es eine Fachgesellschaft für Anthroposophische Pharmazeuten?

Seit 2001 tritt die gemeinnützige Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V. (GAPiD) als Fachgesellschaft für die Belange der Anthroposophischen Pharmazie ein.

Ja, die Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V. (GAPiD), die 2001 gegründet wurde. Die GAPiD ist ein gemeinnütziger Verein engagierter Apothekerinnen, Apotheker und PTA (aus Offizin, Industrie und Krankenhaus), die sich dafür einsetzen, die Anthroposophische Pharmazie als Fachdisziplin zu fördern, weiterzuentwickeln und ihr zu einer breiten Anerkennung zu verhelfen. So ist es gelungen, Weiterbildungsordnungen für die vorher nicht definierten Berufsbilder des/der Anthroposophischen Apothekers/in und des/der Anthroposophischen PTA zu entwickeln. Darauf basierend konnte die GAPiD mit der GAPiD-Akademie eine eigene Fort- und Weiterbildungsinstitution etablieren. Weitere Infos online unter: https://gapid.de/akademie 

2011 entstand darüber hinaus der GAPiD-Qualitätsverbund von Apotheken, der die von der GAPiD erworbene Marke AnthroMed® Pharmazie vergibt, um die hohe Beratungskompetenz für Anthroposophische Arzneimittel in den zertifizierten Apotheken auch nach außen hin sichtbar zu machen. Weitere Infos online unter: https://gapid.de/qv.

Inhaltlich setzt sich die GAPiD dafür ein, ein zukünftiges, salutogenetisch orientiertes Gesundheitswesen mitzugestalten. Die Fachgesellschaft arbeitet eng mit anderen Organisationen der Anthroposophischen Heilberufe zusammen. Weitere Zielsetzungen sind im Leitbild der GAPiD zusammengefasst: https://gapid.de/ev/leitbild 

 

29. Ist die Anthroposophische Pharmazie an internationale Organisationen angebunden?

Ja, die GAPiD arbeitet eng mit internationalen Organisationen der Anthroposophisch-medizinischen Therapierichtung zusammen.

Die Gesellschaft für Anthroposophische Pharmazie in Deutschland e.V. (GAPiD) ist Mitglied des Dachverbands International Association of Anthroposophic Pharmacists (IAAP) und Teil der IKAM-Gruppe (Internationale Koordination Anthroposophische Medizin) an der Medizinischen Sektion am Goetheanum. Die Medizinische Sektion gehört als international ausgerichtete (Non-Profit-)Organisation zur Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach/Schweiz.

 

Welche Herausforderungen warten auf uns?

30. Welches sind die zukünftigen Themen der Anthroposophischen Pharmazie?

Neben der weiteren Erforschung und der Herausarbeitung der Wirkprinzipien hat der Einsatz für den Erhalt der Apothekenpflicht der anthroposophischen Arzneimittel und die weitere Verankerung der Therapierichtung in den anerkannten Arzneibüchern eine große Bedeutung. Auch das Thema „ökologische Pharmazie“, welches wie selbstverständlich von Beginn an zur Anthroposophischen Pharmazie gehörte, muss weiter bearbeitet werden.  

Die Anthroposophische Medizin ist im Vergleich zu anderen Therapieformen sehr jung – erst ca. 100 Jahre. Deshalb gibt es viele Felder, die weiterhin bearbeitet und erforscht werden müssen, gerade auch in der Pharmazie.

Ein wichtiges Thema der nächsten Jahre ist die Herausarbeitung nachvollziehbarer Wirkprinzipien. So kann es gelingen, dass die Anthroposophische Pharmazie und Medizin noch besser wissenschaftlich belegbar, klarer kommunizierbar und therapeutisch breiter einsetzbar wird. Ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld engagierter anthroposophischer Pharmazeut:innen ist der Einsatz für den Erhalt der Apothekenpflicht der anthroposophischen Arzneimittel und - damit verbunden - die Verstetigung des Einzugs der Therapierichtung in die anerkannten Arzneibücher, wie die Europäische Pharmakopöe (Ph. Eur.) oder das Homöopathische Arzneibuch (HAB). 

Auch wenn der respektvolle und ressourcensparende Umgang mit der Natur in die „DNA“ der Anthroposophischen Pharmazie eingeprägt ist, müssen weiterhin Anstrengungen unternommen werden, diesen Weg konsequent weiter zu entwickeln. Dazu gehört sowohl der Dialog mit universitären Einrichtungen als auch das Gespräch mit Meinungsbildnern aus Industrie und Politik. Der ökologische Gedanke muss zukünftig auch auf die einzelne Apotheke übertragbar sein. Hier können die Haltung und Erfahrung aus der Anthroposophischen Pharmazie helfen, Ideen auszurollen und bis in soziale Aspekte wirksam werden zu lassen. 

Anthroposophie steht für stetige Entwicklung und das Ringen um ein erkennendes Bewusstsein für Fragen und Herausforderungen der Zukunft – so auch in der Pharmazie, die Ideen auch konkret in die Tat umsetzen kann.